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Geld verdienen mit Zensur? Die Debatte um eine europäische Urheberrechtsreform

Anlässlich der aktuellen Debatten um eine europäische Urheberrechtsnovelle hat eine Künstlerinitiative rund um Gerhard Ruiss, IG Autorinnen Autoren, einen Brief an die Abgeordneten des Europäischen Parlaments verfasst, der aktuell von rund 1.500 KünstlerInnen unterzeichnet wurde. Am 12. September soll das Europäische Parlament über die Richtlinie zu einem Europäischen Urheberrecht abstimmen.

Hier einige Überlegungen zur Verwertung (und Vergütung) von bildender Kunst im Internet.

Die Fronten scheinen wieder einmal verhärtet. Einerseits die großen Konzerne mit Gewinnen in Milliardenhöhe, auf der anderen Seite unzählige Kulturschaffende, die von ihrer Profession in den meisten Fällen kaum oder gar nicht leben können.
Seit vielen Jahren tobt ein Kampf um die Anpassung des Europäischen Urheberrechts an das Digitalzeitalter. Nach Zwischenschritten wie etwa der Speichermedienabgabe (eine pauschale Abgabe auf USB-Sticks, Festplatten, Computer und Mobiltelefone die an Verwertungsgesellschaften ausbezahlt wird) oder den Versuchen einzelner EU-Länder, ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage einzuführen, soll nun eine Urheberrechtsnovelle der Europäischen Union ein Regelwerk für die Einnahmen von Kultuschaffenden und Rechtssicherheit im Internet schaffen.

Die Ausgangslage ist dabei aber leider nicht einheitlich und die einzelnen Kunstgattungen in unterschiedlicher Weise von der „Gratismentalität im Internet“ betroffen. Ziemlich klar ist die Lage für die Film- und Musikwirtschaft. Während die Streaming-Dienste wie Spotify, Apple Music oder Netflix die Urheber zwar schlecht, aber doch für ihre Kreativprodukte entlohnen, werden speziell auf Youtube, aber auch auf Facebook unzählige geschützte Werke von Usern hochgeladen und damit der korrekten Verwertung entzogen. Genau diese Mediengiganten, Youtube gehört wie bekannt zu Google, erwirtschaften mit dem Verwerten von Userdaten unglaubliche Gewinne.
Mit der aktuell diskutieren Urheberrechtsnovelle sollen vor allem diese beiden Unternehmen gezwungen werden, Anteile ihrer Gewinne an die Kulturschaffenden abzugeben.

Etwas schwieriger erscheint die Lage bei der bildenden Kunst. Facebook und Instagram verdienen mit den Interaktionen und Postings der User viel Geld. Gerade diese beiden erweisen sich in der Kunstszene als weitreichende und vor allem erfolgversprechende (mehr oder weniger) Gratis-Tools für Werbung. Das Posten von Kunstevents, Ausstellungen und einzelner Kunstwerke ist mittlerweile etabliert im Kunstbetrieb. Kaum ein Museum verzichtet auf InstagrammerInnen im Rahmen seines Marketings. Bildende KünstlerInnen und Galerien schätzen die Möglichkeiten zur direkten Ansprache von potentiellen Käuferinnen und Käufern und zur Ankündigung von Ausstellungseröffnungen.

Galerien und natürlich KünstlerInnen selbst dürfen nach dem geltenden Urheberrecht Kunstwerke in den Medien ohne Urheberrechtsabgabe veröffentlichen.

Allen anderen UserInnen „verbietet“ das geltende europäische Urheberrecht das Posten von (zeitgenössischer) Kunst in den Sozialen Medien, denn dort ist geregelt, dass damit ein Vergütungsanspruch für die KünstlerInnen entsteht. Bezahlt werden müsste diese Vergütung eigentlich vom „Veröffentlicher“, also vom einzelnen User, der ein Bild hochlädt. Dass das in der Praxis nicht funktioniert ,weiß man, und so setzt die Novelle zum Urheberrecht den Hebel direkt bei den Social-Media-Giganten an: Diese sollen die Vergütungen zahlen, weil sie mit den Aktionen der UserInnen ihr Geld verdienen – ein durchaus nachvollziehbarer Standpunkt. Legt man einer groben Berechnung die aktuellen Tarife für Presseverlage zugrunde, so müsste Instagram oder Facebook für z.B. 30.000 hochgeladene zeitgenössische Kunstwerke einen Betrag von knapp über 4.000 Euro an eine europäische Verwertungsgesellschaft entrichten – und das monatlich, so lange diese Kunstwerke online sind. Bei tausenden Kunst-Postings pro Tag, kommen dann bald astronomische Summen zusammen. Es ist also kein Wunder, dass Facebook, dem ja auch Instagram gehört, sich mit allen Mitteln des Lobbyings gegen diese europäische Urheberrechtsnovelle wehrt.

Zusätzlich kompliziert wird es bei der aktuellen Urheberrechtsnovelle noch durch die Forderung, dass den Social Media Plattformen die Pflicht auferlegt werden soll, Urheberrechtsverletzungen zu verhindern bzw. „zu gewährleisten, dass die mit den Rechteinhabern geschlossenen Vereinbarungen, die die Nutzung ihrer Werke oder sonstigen Schutzgegenstände regeln, oder die die Zugänglichkeit der von den Rechteinhabern genannten Werke oder Schutzgegenstände über ihre Dienste untersagen, eingehalten werden.“ – einfach gesagt: Facebook und Instagram sollen Uploadfilter installieren. Solche gibt es ja zum Teil schon für Musik bei Youtube. Hier entzündet sich die Debatte zwischen den Befürwortern, die endlich die User entlastet sehen und den Gegnern, die vor einem Internet ohne Kultur und Kunst warnen und einen ersten Schritt hin zur Zensur des Internets fürchten.

Auch wenn etwa Museen durch die Novelle entlastet scheinen, weil sich um die Vergütung der KünstlerInnen bei Instagram-Postings eben nun nicht mehr das Museum, sondern Facebook und Instagram kümmern müssen, liegt gerade in den Uploadfiltern ein zentrales Problem für die bildende Kunst. Auch wenn Bilderkennungsprogramme mittlerweile recht gut darin sind, bestimmte Kunstwerke zu erkennen, so kann die inhaltliche Entscheidung, was eine Urheberrechtsverletzung ist und was nicht, wohl kaum an noch so gute Algorithmen ausgelagert werden. Wie soll erkannt werden, ob der Instagram-Post aus einem Künstleratelier legal ist, weil vom Künstler/von der Künstlerin statt von einem Atelierbesucher oder der vertretenden Galerie? Müssen sich KünstlerInnen und GaleristInnen dann registrieren lassen um eine Erlaubnis zu bekommen, auch neue, noch nicht von einer Bilderkennungssoftware verarbeitete Kunstwerke online stellen zu dürfen? Und können dann aus den Museen nur noch gemeinfreie Werke gepostet werden, deren Urheber seit mindestens 70 Jahren tot sind? Verliert das Internet damit einen Großteil der zeitgenössischen Kunstszene gerade in Zeiten, in denen die Bedeutung der Kunst als Kommentar- und Ideengeber zur Reflexion brennender gesellschaftlicher Probleme mehr denn je beschworen wird?

Warum muss überhaupt diese Strategie der Verhinderung von Urheberrechtsverletzungen angewandt werden, wenn es z.B. im Bereich der Speichermedienvergütung funktionierende Verteilungssysteme für die pauschal eingehobenen Abgaben an die KünstlerInnen gibt?

Die Fragestellung ist durchaus komplex und die Diskussionen können noch geführt werden. Nachdem das Europäische Parlament vor dem Sommer eine Abstimmung zur Novelle vor dem Sommer vertagt hat, steht die Novelle am 12. September neuerlich auf der Tagesordnung.

Weiterführende Informationen:

* Die Initiative österreichischer Kulturschaffender rund um Gerhard Ruiss, IG Autorinnen Autoren, hat ihre Forderungen auf der Website userfreiheit-kuenstlerrecht.at/ zusammengefasst.

* Den Vorschlag der Richtlinie finden Sie -->HIER

* Eine Umfangreiche Debatte zum Urheberrecht führt z.B. die Plattform netzpolitik.org

* Das Museum Marta Herford veranstaltet am 14. Und 15.9. ein Symposium zum Thema --> „Wem gehören die Bilder ─ Wege aus dem Streit um das Urheberrecht“

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Abbildung: Gustave Courbet, L`Origine du Monde

Mehr Texte von Werner Rodlauer

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