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David Claerbout: Eine Reise der Entschleunigung

Ab Einbruch der Dämmerung wird die Fassade des Kunsthaus Bregenz zum Leben erweckt. Dann huschen Balu, Baghira und Kaa über die gläsernen Außenwände des Ausstellungshauses. Sie singen, sprechen und tanzen aber nicht wie im Filmklassiker „Das Dschungelbuch“, sondern verhalten sich wie Tiere. Drei Jahre lang haben der belgische Künstler David Claerbout und sein Team die Einzelbilder im Stil des originalen Disneyfilms nachgezeichnet und animiert.

In der Ausstellung von David Claerbout begibt man sich auf eine Reise der Entschleunigung. Die Video-Arbeit „The Quiet Shore, 2011“ in der Eingangshalle des KUB zeigt eine Szene an der Küste von Dinard, einem Ort im Norden der Bretagne. Es handelt sich um keinen herkömmlichen Film, sondern vielmehr um eine Abfolge von Schwarz-Weiß-Bildern. Am Strand spielen Kinder im Wasser, es ist Ebbe, Erwachsene stehen und beobachten die Szene. Der Moment scheint wie eingefroren. Die Stille überträgt sich auf den Besucher und lässt ihn jegliches Gefühl von Zeit vergessen. Man beobachtet einen Jungen, der mit seinen Freunden am Ufer steht und die Hände ins Wasser schlägt. Die Arbeit ist eine einzige Fotografie, die aus verschiedenen Blickwinkeln gezeigt wird.

Das erste Obergeschoss bietet dem Besucher in der Arbeit „Travel, 1996-2013“ vollkommene Entspannung. Man folgt der Kamera, beginnend in einem Park in einen Wald, weiter in einen amazonischen Dschungel und schließlich führt sie in Vogelperspektive wieder aus dem Wald hinaus in ein Ackerland. Inspiration fand Claerbout für diese Arbeit im 1980 von Eric Breton komponierten Stück „Relaxation profonde“, dessen therapeutische Wirkung Stress reduzieren sollte. Bei „Travel“ handelt es sich um ein computergeneriertes Video. Claerbout entschied sich bewusst dafür, um keinen speziellen Ort zu zeigen, sondern einen, der überall sein kann. Ein wundervoller Ausflug in eine entspannende, kitschige Umgebung, der eine meditative Wirkung auf den Betrachter hat. 

Ein Zweikanal-Video zeigt die Arbeit „Breathing Bird, 2012“, in dem sich zwei Vögel auf einem Fensterbrett gegenübersitzen. Obwohl sie sich sehen, bleiben sie durch die Scheibe voneinander getrennt. Auf subtile Weise spielt Claerbout hier auf die Unmöglichkeit des körperlichen Kontakts an. Der im Freien sitzende Vogel lässt durch seinen Atemhauch die Fensterscheibe leicht anlaufen und unterstreicht somit die räumliche Distanz.

Im obersten Stockwerk wird Claerbouts neueste Arbeit „Olympia (The Real-Time Disintegration into Ruins of the Berlin Olympic Stadium over the Course of a Thousand Years), 2016- 3016“ gezeigt. Claerbout fertigte eine täuschend echte 3D-Visualisierung des für die Olympischen Sommerspiele 1936 eröffneten Stadions an und setzt den NS-Bau den Kräften der Natur aus. Über eine Dauer von 1000 Jahren wird hier die Auflösung des Gebäudes simuliert. Dabei verwendet er dieselbe Software wie jene der Ego-Shooter-Computerspiele. Durch die präzise verwendete fotografische Scantechnik wirken Wetter und Vegetation in Echtzeit auf das Gebäude ein. Steht man als Besucher vor dem Stadium, so erlebt man das Wetter, wie es gerade in Berlin ist. Über den langen Zeitraum verändert sich das Gebäude, die Vegetation nimmt langsam zu und verändert es.

Der 1969 in Belgien geborene Künstler schafft es in seinen Videos, den Zeitfaktor zu verändern und den Besucher auf eine spannende Reise der Entschleunigung mitzunehmen.

Mehr Texte von Désirée Hailzl

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David Claerbout
14.07 - 07.10.2018

Kunsthaus Bregenz
6900 Bregenz, Karl Tizian Platz
Tel: +43 5574 48 594-0, Fax: +43 5574 48 594-8
Email: kub@kunsthaus-bregenz.at
http://www.kunsthaus-bregenz.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-18, Do 10-20 Uhr


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