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Happiness in the House

Ist die Architektur der Grundstein zur Kunst? Aller Anfang war auf alle Fälle der Stein - und Stein um Stein ergeben ein Haus. Davon waren in Venedig viele zu sehen. Unter dem diesjährigen Motto "Freespace" laden die Kuratorinnen Yvonne Farrell und Shelley Mc Namara zur 16. Architekturbiennale. 

Die Schweizer, Gewinner des Goldenen Löwen für den besten Länderpavillon, spielen mit unserer Größe und dem Verhältnis davon. Svizzera 240: House Tour, so der Titel, lädt im unmöblierten Inneren des Pavillons in den zeitgenössischen Wohnbau und zelebriert auf Augenhöhe keine Wohnung als Einheit, sondern vielmehr eine Abfolge von Szenen in unterschiedlichen Maßstäben, die sich zu einer labyrinthartigen Sequenz perspektivischer Innenräume zusammenfügt. Statt um die Repräsentation von Architektur geht es hier um den Bau einer Repräsentation. Die Struktur der Installation basiert auf die Gesetzmässigkeiten der Idee einer Wohnung nicht auf einer Realwohnung.

Eine besondere Würdigung des Biennalegremiums erhielt der Länderpavillon von Großbritannien. Unter dem Thema Island lud die Kommissärin Sarah Mann auf den Pavillon, der im Innenraum komplett leer blieb. Ein Gerüst mit Aufgang (für Gehschwache auch mit Baustellenlift) ermöglichte das Erreichen der luftigen Höhen. Die Belohnung war ein Blick über die Giardini und eine Tasse Tee, die zum Verweilen einlud. Very british eben!

Was ein Bahnhof in London ist für Russen das Wort Woksal (Vauxhall) - bedeutet es doch Bahnhof und auch Empfangsgebäude. Und genau diese werden im russischen Länderpavillon gezeigt. Utopien, möchte man meinen. Der Kommissär Semyon Mikhailovsky nennt es Station Russia. Eine Reise durch die Zeit und durch unbewohnbare Gebiete. Der Pavillon wurde mit Multimediainstallationen und realen Reiseutensilien in fünf Hallen verwandelt. Der Fokus liegt in der gegenwärtigen Bedeutung als Verkehrsmittel aber auch im "Warteraum der Zukunft".
Die 9.300 km lange Strecke der Transibirischen Eisenbahn von Moskau nach Wladiwostok wird mit dem Film Sieben Tage in sieben Minuten von Daniil Zinchenko abgerundet. Die Pläne des Pavillons (der 1914 feierlich eröffnet wurde) stammten von Alexej Shchusev, der auch den Kazansky-Bahnhof in Moskau plante.

Der österreichische Pavillon, gestaltet unter dem Motto "Thoughts Form Matter", zeugt leider wieder einmal davon, daß zu viele Akteure den Brei verderben. Wieso schaffen wir es nicht, EIN Statement abzugeben? Drei Teams (LAAC, Henke Schreieck und Sagmeister & Walsh) treten gemeinsam an, um ein "Gedankengebäude" (so die Kommissärin Verena Konrad) zu schaffen und "positive Emotionen hervorzurufen". Bei Stefan Sagmeister zählte bei der Pressekonferenz nur Beauty, die er mit Function gleichsetzte. Aber er verkauft eben Happiness und ist kein Architekt.

Positiv überrascht durch starke Aussagen hat das Arsenale.

Der Saudi Arabische Pavillon hat mit Spaces in Between die Zuwanderung in die Städte und die damit verbundene Landflucht aufgegriffen. Mit Harzen wurden Wohnräume, vielmehr Zwischenräume geschaffen.
Im Statement von Vietnam war der Bambus als nachhaltiges Baumittel zentrales Thema.
Ähnliche Ansätze hatte auch das Häuserflechtwerk von Indonesien.

Wie Kanada mit der Raumerweiterung umgeht, demonstriert eindrucksvoll Unceded - Voices of the Land – dieses Jahr im Arsenale, da der kanadische Pavillon noch immer umgebaut wird. Douglas J. Cardinal zeigt mit indigenem Blick, wie sich Raum und Sphäre öffnen. Die Bewohner von Turtle Island leben in Balance und Harmonie mit dem natürlichen Umfeld. Ihr Glaube basiert auf Respekt dem einzelnen Individuum und dem Leben um uns gegenüber.

In der Stadt öffnen - wie bei jeder Biennale - die Palazzi ihre Tore.
Die Fondazione Berengo lädt zu Memphis - Plastic Field in den Palazzo Franchetti. Und davor Kunst, der goldene Käfig von Ai Wei Wei.
Die jungen Architekten zeigen an den drei Standorten Palazzo Mora, Palazzo Bembo und Giardini Marinaressa Time - Space - Existence.
Das Design ist diesmal ein eigener Schwerpunkt, auch wörtlich Venice Design 2018 residiert im Palazzo Michiel.

Und für alle, die Kunst sehen möchten: Im Palazzo Grassi gibt es Albert Oehlen, in der Peggy Guggenheim Sammlung Josef Albers, in der Accademia Hieronymus Bosch. Mit der Ausstellung The Explorers, Part One aus der Sammlung der Whitechapel Gallery, London im Palazzo delle Zattere beschliesse ich den Rundgang. Diese Schau ist eine wahre Überraschung - nicht nur wegen Francis Bacon, Peter Doig und Egon Schiele.

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16. Internationale Architekturausstellung, La Biennale di Venezia 2018
26. Mai bis 25. November 2018
--> www.labiennale.org

Mehr Texte von Iris Stöckl

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