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Art Déco. Grafikdesign aus Paris: Die gedruckten „annés folles“

Denkt man an Art Dèco, ist es wohl weniger das Graphikdesign, das einem in den Sinn kommt. Man denk womöglich an Architektur und Möbel, an Chrom und Autos, an Schmuck und Mode in denen es sich hemmungslos Charleston tanzen lässt. Man denkt bei dieser Dekade an den Übergang von Jugendstil zur Moderne, an die Verbesserung von Mobilität zu Wasser und zu Lande, die den Transfer zwischen den Kontinenten erleichterte, man denkt an schwarzen Jazz und bunte Revuen. Alles durchaus zutreffend, doch was könnte dieses neue, schnelle Lebensgefühl besser illustrieren als die Druckgraphik dieser Zeit. All das Genannte wollte entsprechend beworben sein und bevor sich die Fotografie in diesem Bereich durchzusetzen vermochte, erlebte das Graphikdesign und mit ihm der Pochoir-Druck eine letzte große Blütezeit. Paris, nicht alleine als Hauptstadt der Mode sollte hier federführend sein.

Über die letzten Jahre hat das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe die beachtliche Sammlung von 700 Belegen des Pariser Graphikdesign dieser Zeit aufgebaut. 250 Exemplare davon sind nun in einer Ausstellung zu sehen und man möchte sich ob der Vielfalt und innovativen Qualität des Gezeigten kaum sattsehen. Paul Poiret, einer der Pioniere des Prinzip Haute Couture hatte begonnen, seine Kollektionen – gezeichnet von Paul Iribe ­– in Katalogform unter die Leute zu bringen. Auch erschienen diverse Gazetten, Almanache und ab 1920 zudem die französische Vogue, die einer Vielzahl von Graphikern und Illustratoren, unter ihnen George Babier, André Éduard Marty oder Charles Marin die Möglichkeit gab, neben den vorgegebenen Kreationen eigenen Stil, mitunter auch Humor zu zeigen.

Werbung für Automobile und Reisen werden ein neues Aufgabenfeld, entsprechend frei und unbelastet von Bildtraditionen agieren die Graphiker, allen voran A.M. Cassandre, der nicht umsonst als einer der innovativsten seines Faches in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts gilt. Doch gäbe es für die Graphik der Pariser 20er Jahre ein Signaturwerk, was wäre es anderes als Paul Colins tanzende Josephine Baker im Bananenröckchen? 1925 war Paul Colin beauftragt worden für die Revue Negre einer afroamerikanischen Tanztruppe, die im Théâtre des Champes Élysées gastierte, die Plakate zu gestalten, doch bald hob sich aus den Ensemble eine junge Tänzerin ab, die zum Star der Pariser Nächte und darüber hinaus der wilden zwanziger Jahre überhaupt werden sollte. Colin verstand es, die Baker in ihren unglaublichen Bewegungen festzuhalten, wird Chronist der „annés folles“. „Le Tumulte noir“ heißt die dazugehörige Mappe, in der er Tanz und Jazz mit wenigen rasanten Strichen zum Leben erweckt und den Betrachter in ein Verwirrspiel zwischen Schwarz und Weiss verwickelt. Damia, die große Tragödin des Chansons, wir hier zur dunkelhäutigen Sängerin ebenso wie der Impresario Georges Thenon alias Rip oder Maurice Chevalier ihre Hautfarbe wechseln und doch durch Colins virtuose notierte Beobachtung von Gesten und Bewegungen erkennbar bleiben.

Deutschland hatte das Bauhaus, in Russland entwickelte sich die Avantgarde, in den Niederlanden de Stijl und in Frankreich eben Art Déco – danach wird der Stil international werden. Die Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg vermittelt nicht nur eine überzeugende Zusammenstellung der Pariser Art Déco Graphik sie gibt auch Einblick in eine kluge Sammlungspolitik. Die begleitende Publikation leistet ihr Übriges französische Druckgraphik der zwanziger Jahre einem deutschsprachigen Publikum näher zu bringen.

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Weitere Station: 25. Mai bis 18. August 2019 Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst Hannover

Mehr Texte von Daniela Gregori

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Art Déco. Grafikdesign aus Paris
04.05 - 30.09.2018

Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
20099 Hamburg, Steintorplatz
Tel: +49 0 40 428 134 - 27 32, Fax: +49 0 40 428 134 - 28 34
Email: service@mkg-hamburg.de
http://www.mkg-hamburg.de
Öffnungszeiten: Di - So 10.00 - 18.00, Do 10.00 - 21.00


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