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Ellen Cantor - My Perversion is the Belief in True Love: Zartes Unbehagen

Es ist schwierig, die richtigen Worte für diese Bilder und Objekte zu finden, die in einem solchen Maße zugleich irritieren, abstoßen, anziehen, verstören und berühren. In den Arbeiten, die aus Ellen Cantors Estate für die aktuelle Ausstellung bei Isabella Bortolozzi zusammen getragen wurden, spiegelt sich ein ganzes Lebenswerk der Künstlerin, ihre nicht enden wollende Suche nach Unschuld und Wahrheit.

Der Blick fällt auf die Wand, die fast vollständig von rosafarbenem Papier bedeckt ist. Zarte, weiße Linien zeichnen große und kleine Formen, die sich ineinander legen und erst beim näheren Betrachten erkennen lassen, was sie meinen. Ein Frauenkörper mit überspitzten Schemen, Katzenaugen, wie aus einem Anime Film, umsäumt von flachen Blumen, die sich wie Mandalas um sie ranken. Mitten auf ihrem Körper prangt ein Phallus. Eine Geburt der Venus, wie eine erotisierte Kritzelei in einem Schulheft. Wie die anderen Arbeiten aus Cantors Oeuvre, eignet sie sich Register an, die zwischen überzeichneter Romantik von Esoterik und Popkultur, schmerzhafter, mädchenhafter Sexualität und weiblichem Begehren, in zartes Unbehagen münden. Sie sind gezeichnet von Cantors Getriebenheit, ihrem Willen zur Verausgabung, der in seiner Manifestation im Material beinahe unerträglich schmerzhaft wird.

Zwischen Märchenwelt und Sanatorium - Die kleinen Skulpturen, die in der Mitte des Raums auf flache Podeste gereiht sind, erinnern an Totem, hölzerne Ikonen verkleidet mit bunten Pailletten, Federn, zerknautschten Budweiser-Dosen, als hätte ein Kind sie zusammengebastelt. Darauf Frauenfiguren, wie naive Göttinnen, verzückt, leidend, strecken sie dem Betrachter die bunten Gliedmaßen und geschminkten Gesichter entgegen.

In den Fotocollagen Belmondo, My Love (1994) und Hold Me My Love, I want to Die with You (1996) koppelt die Künstlerin die glatt polierte Unschuld von Filmklassikern in Schwarz Weiß mit Szenen aus Hardcore Pornos. Die Abzüge, in denen die Figuren in übersteigerter Ekstase Hollywoods verschmelzen um kurz darauf wieder auseinander zu driften, zerstückelt Cantor in ihre Einzelteile, zwischen denen die Künstlichkeit der Emotion wie eine offene Wunde klafft. Die Close Ups der expliziten Szenen stülpen sich, wie eine schale Affirmation über die erzeugte Intensität und enthüllen das hohle und gleichzeitig süchtig machende Versprechen, das diese Bilder vermitteln sollen.

My perversion is the belief in true love – In diesem Satz, den die Ausstellung zum Titel hat, kulminiert die schmerzliche Erfahrung, in die die Künstlerin den Betrachter stürzt. Cantors Arbeiten begreifen das erwachsene, normative Begehren als strukturell „pervers“. Es kondensiert in Disney-Figuren und erotisierten Frauenkörpern, den Sichtbarmachungen in der Popkultur, die von unschuldigen, kindlichen Sehnsüchten getragen wird.

Ellen Cantor (1961-2013) wurde zu Lebzeiten nur marginal vom institutionellen Diskurs aufgegriffen, fand aber in Lia Gangitano, die ihre Arbeiten in ihrem transgressiven Ausstellungsraum Participant Inc. in NY zeigte, eine treue Unterstützerin. Diese Ausstellung macht um ein weiteres deutlich: Ihr Werk, das nun post mortem langsam aber stetig rege Rezeption erfährt, ist eines der bemerkenswertesten ihrer Zeit.

Mehr Texte von Anna Gien

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Ellen Cantor - My Perversion is the Belief in True Love
06.02 - 24.03.2018

Galerie Isabella Bortolozzi
10785 Berlin, Schöneberger Ufer 61
Tel: +49 30 263 94 98 5, Fax: +49 30 263 96 53 9
Email: info@bortolozzi.com
http://www.bortolozzi.com
Öffnungszeiten: Nach Vereinbarung


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