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Frieze Masters: Aha-Erlebnisse trotz Nachschubmangel

"Crossover" hat sich zu einer ähnlich hohlen Phrase entwickelt wie Design, das gerne bemüht wird, um Fragwürdiges aufzuwerten oder Massenware mit dem Flair der Exklusivität zu umnebeln. Wenn Aussteller der Frieze Masters sich des Themas annehmen, kann das Ergebnis hingegen Aha-Erlebnisse auslösen. Zwei der Großen ihres jeweiligen Bereichs, Moretti aus Florenz und Hauser & Wirth aus Zürich führen das eindrücklich vor: ein Heiliger Joseph von Guercino neben einer geometrischen Wandskulptur von Lygia Pape, ein abstrahiertes Selbstportrait von Louise Bourgeois in weißer Keramik neben einem spätmittelalterlichen Erzengel Michael auf Goldgrund.

"Wir machen das jetzt zum dritten Mal und stellen fest, dass es durchaus Anklang findet bei den Sammlern" erklärt Florian Berktold, Executive Director bei den Schweizern. "Wir suchen nicht zwanghaft Bezüge zwischen den einzelnen Werken, aber letztlich geht es in der Kunst doch über die Jahrhunderte um dieselben Themenkomplexe: Weltwahrnehmung, Gesellschaft, Tod... Wir merken, dass diese Gegenüberstellung gerade bei den Sammlern zeitgenössischer Kunst gut ankommt." 

Umgekehrt ist das möglicherweise weniger der Fall. Doch befinden sich die reinen Sammler alter Kunst schon seit geraumer Zeit auf dem demografischen Rückzug. Die einschlägigen Händler versuchen sich daher immer mehr im Zeitgenössischen. Gerade im Vergleich mit der Zusammenarbeit von Spezialisten aus beiden Gebieten fällt allerdings auf, wie unbeholfen solche Ausflüge bisweilen wirken. Wenn etwa Robilant & Voena aus Mailand einen Papst von Mimmo Rotella nebem einem barocken Matthäus auftreten lassen oder Jacopo Bassanos Büßenden Hieronymus mit einem Concetto Spaziale von Lucio Fontana garnieren, wirkt das leider zu bemüht.

Beliebt bei Ausstellern und Fotografen sind seit einiger Zeit auch Inszenierungen von Wohnungen und Ateliers – realen oder imaginierten. Dieses Jahr hat Waddington Custot aus London einen Teil des Ateliers von Peter Blake re-enacted, inklusive einer Modelleisenbahn, die über den Köpfen der Besucher kreist – die Kunstmesse als Jahrmarkt für Superreiche.

Die anfangs vielbeachtete Spotlight-Sektion zerrt KünstlerInnen ans Licht der Öffentlichkeit, die dem Markt zuvor oft verborgen geblieben waren. Mit "Neuentdeckungen" wenig beachteter Positionen der letzten Jahrzehnte versucht der Markt schon länger, dem Nachschubmangel bei gesicherten Positionen und den unter Vertrauensschwund leidenden Zeitgenossen etwas entgegenzusetzen. So präsentiert die Galeria Berenice Arvani aus São Paulo Pop-Artistisches des autodidaktischen Militär-Majors Décio Noviello, der damit in den späten 1960er Jahren seinen Dissens mit dem Regime zum Ausdruck bringen wollte. Ob sich derartige Trouvaillen tatsächlich irgendwann in den Kanon einreihen werden oder Futter für einen anlagehungrigen Markt bleiben, wird nicht zuletzt auf der Frieze entschieden,  die mit beidem gut leben kann, solange der Trend anhält. Doch dass das Material in diesem Bereich schwächer wird, ist unübersehbar

Mehr Texte von Stefan Kobel

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Frieze Masters
05 - 08.10.2017

Regent`s Park
London, Parkway/Outer Circle
http://friezemasters.com
Öffnungszeiten: 12-19, So 12-18 h


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